Vorwort

Im Jahr 1917 besuchte Kemal Atatürk, der Staatspräsident und Gründer der Republik Türkei Deutschland. Dieser Besuch gehört zu den vielen Meilensteinen der deutsch-türkischen Beziehungen. Anlässlich der Einweihung des Atatürk-Salons im Bad Kreuznacher Parkhotel und einer Gedenktafel, wurde mit der Broschüre „Mustafa Kemal Atatürk in Bad Kreuznach” an diesen Deutschlandbesuch erinnert. Auf den folgenden Seiten haben Sie die Möglichkeit, Informatives über Mustafa Kemal Atatürks Deutschlandreise sowie die Entwicklung der deutsch-türkischen Beziehungen und die Türkei zu erfahren.

Auf den folgenden Seiten beziehen wir uns u.a. auf Texte aus der Broschüre „Mustafa Kema Atatürk in Bad Kreuznach”. Wir hoffen, dass die Informationen auf unseren Seiten dazu beitragen, dass Verständnis und Zukunftsorientierung verstärkt die deutsch-türkischen Beziehungen bestimmen. Die Kenntnisse historischer Entwicklungen sollen dazu dienen, Vorurteile und Misstrauen abzubauen und einander freundschaftlich auf der Ebene der Gemeinsamkeiten zu begegnen.

Deutschlandreise von Mustafa Kemal Atatürk und deutsch-türkische Beziehungen

Das Kurhaus von Bad Kreuznach war in der Vergangenheit oft ein Ort historischer Begegnungen. Dazu zählt auch der Besuch des Gründers und ersten Staatspräsidenten der Republik Türkei Atatürk und des osmanischen Thronfolgers Mehmed Vahdeddin im Dezember des Jahres 1917. Die Unterschriften der Delegation der Türkei und das Siegen von Abdulhamit II. sind noch heute im „Eisernen Buch der Stadt Bad Kreuznach” zu sehen.

1997 wurde auf Anregung des türkischen Generalkonsuls in Mainz, Gürsel Demirok, mit der Unterstützung der Stadtregierung und der Hotelbesitzer des Parkhotels in einem Saal des Parkhotels Kurhaus der Atatürk-Salon eröffnet. Fotos und schriftliche Dokumente aus verschiedenen türkischen und deutschen Archiven führen hier durch das Lebens Atatürks. Dargestellt werden dabei auch die mit der Gründung der Republik Türkei einhergehenden großen Veränderungen, die auch bedeutenden Einfluss auf die deutsch-türkischen Beziehungen nahmen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt gab es Gespräche zwischen Mustafa Kemal Atatürk und Hindenburg.

Beziehungen Deutschland-Osmanisches Reich und Wandel nach dem 1. Weltkrieg

Historisch haben die deutsch-türkischen Beziehungen eine jahrhundertelange Tradition. Ihre Geschichte lässt sich seit etwa 800 Jahren verfolgen. Während der vielen Jahrhunderte bestanden unterschiedliche Kontakte und Beziehungen zum Osmansichen Reich, der heutigen Türkei. Während des 19. Jahrhunderts wandelten sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Neben Beziehungen vom üblichen Handel und Kultur entwickelte sich auch eine militärische und technische Zusammenarbeit. Ein Beispiel für die technische Zusammenarbeit war beispielsweise der Bau der Bagdadbahn.

Unter dem deutschen Kaiser Wilhelm II. spielte die Zusammenarbeit mit der damaligen Osmanischen Dynastie eine große Rolle. Bereits im Jahr nach seiner Thronbesteigung besuchte er die Stadt Istanbul, wo heute noch der „Deutsche Brunnen” an dieses Ereignis erinnert.

Während des ersten Weltkrieges war das Osmanische Reich ein Verbündeter von Deutschland. Noch während des Krieges besuchte Kaiser Wilhelm zum dritten Mal Istanbul. Das Ende des ersten Weltkrieges bedeutete für beide Länder einschneidende politische und gesellschaftliche Veränderungen. Das einstige Osmanische Reich fand 1924 sein Ende mit der Entmachtung der Osmanischen Dynastie, nach der Gründung der türkischen Republik unter Atatürk, und in Deutschland war ein gewähltes Parlament in der Weimarer Republik an die Stelle des Kaiserreichs getreten. In beiden Ländern vollzog sich vorerst ein Wandel in Richtung demokratischer Strukturen. Als 1933 der Sieg Hitlers und damit das Regime des Nationalsozialismus der deutschen Republik ein Ende setzten, gewährte die Türkei vielen deutsche Flüchtlingen, u.a. Künstlern, Medizinern, Ingenieuren und Wissenschaftlern politisches Asyl. 

Die Republik Türkei wird gegründet

Mit dem Ende des 1. Weltkrieges zogen die in- und ausländischen Truppen, einschließlich der deutschen Verbände der Armee des einstigen Kaisers Wilhelm II., aus den osmanischen Gebieten ab. Das Osmanische Reich unterzeichnete im Oktober 1918 den Waffenstillstand von Mudros. Mustafa Kemal, der spätere Atatürk, war bereits seit langem für eine Wendung zur Republik und demokratischen Ordnung der Türkei aktiv. Im Mai 1919 landet er mit der „Bandrima” in Samsun am Schwarzen Meer mit dem Ziel den Widerstand gegen die einsetzende osmanische Besatzung zu organisieren. Das war der Beginn des nationalen Befreiungskampfes der Türken gegen die Besatzung in Anatolien.

Am 23. April 1920 trat erstmalig in Ankara die Große Türkische Nationalversammlung zusammen. Das Parlament wählte Mustafa Kemal Pascha zum Parlamentspräsidenten. Die Bildung der Nationalversammlung gab der nationalen Freiheitsbewegung ein staatliches Fundament.

Im August 1920 kam es zum Abschluss des Friedensvertrages von Sevres zwischen den Allierten und dem osmanischen Staat. 1923 wurde dieser Vertrag revidiert und der Friedensvertrag von Lausanne unterzeichnet. Damit begründete sich die Unabhängig der türkischen Nation. Mustafa Kemal, Atatürk, wurde zum Staatspräsidenten der neuen Republik Türkei gewählt. Als maßgebliche Prinzipien der jungen Republik galten: "Die Staatsgewalt geht uneingeschränkt vom Volke aus", "Frieden im Lande und Frieden in der Welt".

Unter Atatürk wurden bedeutende gesellschaftliche, wirtschaftliche und rechtliche Reformen in Angriff genommen. Eine neue Verfassung trat in Kraft, mit der auch die religiöse Gerichtsbarkeit abgeschafft wurde. Im Zuge folgender Reform wurde die Gemeinschaftserziehung von Jungen und Mädchen, das Schleierverbot für Frauen und Fes-Verbot für Männer durchgesetzt. Die islamische Zeitrechnung und der Rumi-Kalender wurden durch den Gregorianischen Kalender ersetzt, vielfach wurden ganze Rechtssysteme von europäischen Staaten übernommen und modifiziert. Das metrische System wurde ebenso eingeführt wie die lateinische Schrift und es folgten praktisch tief greifende Reformen in allen Lebens-, Kultur-, Wirtschafts- und Rechtsbereichen.

Atatürk sah in der Jugend die Zukunft des Landes. Er erklärte den 19. Mai, der 1919 den Freiheitskampf markierte, zum Tag der Jungend und den 23. April, den Gründungstag der Nationalversammlung, widmete er den Kindern. Bis heute werden in der Türkei das „Fest des Kindes und der Nationalen Unabhängigkeit" und das „Fest der Jugend und des Sports" an diesen Tagen begangen.

Bedeutenden Anteil hatte die Regierung unter Atatürk an der Gleichberechtigung der Frauen, die ab 1934 auch das Wahlrecht einschloss. Schon im folgenden Jahr wurden 18 Frauen ins türkische Parlament gewählt.

Deutsch-türkische Beziehungen unter Atatürk

Nach der Gründung der Republik Türkei unter Atatürk wurde 1924 mit Deutschland, das nun ebenfalls eine demokratische Regierung hatte, ein Freundschaftsabkommen geschlossen. Die beiden Staaten nahmen diplomatische Beziehungen auf. In der neuen türkischen Hauptstadt Ankara errichtete Deutschland als erstes Land eine Botschaft. Erster deutscher Botschafter in der Türkei war Nadolny. Bei seinem Amtsantritt sprach er vom „neuen Deutschland” und einer „neuen Türkei”. Präsident Atatürk schenkte im Rahmen der neuen diplomatischen Beziehungen besonders dem Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zum beiderseitigen Vorteil hohe Aufmerksamkeit. Nach dem Tod von Friedrich Ebert betonte der neue deutsche Reichspräsident Hindenburg die Beziehungen zur Türkei und deren weiteren Ausbau. Gegenüber dem türkischen Botschafter in Deutschland erinnerte er an das Zusammentreffen mit Mustafa Kemal Atatürk 1917.

Auch kulturell kam es zu einer weiteren Annäherung zwischen Deutschland und der Türkei. Zahlreiche türkische Studenten waren an deutschen Universitäten eingeschrieben. Im Präsidialamt von Ankara hängt noch immer ein Ölgemälde von Atatürk, das einst von dem deutschen Maler Kampf gezeichnet wurde. 1929 empfing Atatürk deutschen Biografen E. Ludwig. Dieser sagte später über dieses Treffen: „Mein Gespräch mit dem Gazi war so beeindruckend, dass es mir unmöglich ist, es in ein oder zwei Worte zu fassen. Die ganze Welt kennt den Gazi durch seine Taten. Aber in meinem Gespräch habe ich eine der Welt unbekannte Wesensart des Gazis gesehen. Er ist nicht nur ein Mann der Tat, sondern ebenso auch ein Denker.”

Nach seinem Tod im Jahr 1938 wurde Atatürk unter anderem auch von deutschen Künstlern und Wissenschaftlern gewürdigt. Dr. Dirk Oncken, von 1979 bis 1984 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Türkei schreibt in seinem Buch „Atatürk aus deutscher Sicht”: „Wenn die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei heute eng und vielfältig sind, dann gehen die Ursprünge dessen, auch auf das zurück, was Atatürk im Dienst für sein Volk diesem und anderen als Orientierung vorgab: Frieden und Aussöhnung in Ehren, gegenseitiges Verstehen, Wissen um den legitimen Anspruch des anderen.”